Das Gleichgewicht der Namen

Die Journalistin Julia Ruhs wird von Linken wie von Rechten attackiert. Ihre letzte Kolumne im Focus enthält eine treffende Beschreibung: „Links glaubt man, der Faschismus übernehme bald, rechts sorgt man sich um den Geburtenrückgang und hält seinen Bademantel für etwaige Polizeibesuche bereit. Weil man online ja so mutig ist. Meine Erfahrung ist eher: Auch hier packt man sich höchstens ein Clownsgesicht ins Profilbild, gibt sich einen möglichst kryptischen Namen und haut dann einen raus. Gegenüber denen, die mit Klarnamen auftreten, sorgt das nicht gerade für Waffengleichheit.“ (Focus, Dezember 2025) In seinem Buch „Die Rache der Nerds“ von 2012, das Geschichten zur Informationsethik enthält, geht Oliver Bendel wiederholt auf das Gleichgewicht der Namen auf elektronischen Plattformen ein. Ganz am Anfang, im Kapitel „Der Zorn der Blogger“, schreibt er: „Ich glaube an das Prinzip des Gleichgewichts der Namen und bin der Meinung, dass man zumindest dann seinen Namen nennen sollte, wenn man einen anderen nennt, einer Person oder einer Organisation … Ein Ungleichgewicht der Namen kann großen Schaden anrichten.“ In den Kapiteln „Sterne holen und sehen“ und „Anonymität und Identifizierbarkeit“ beschreibt er den Ansatz dann ausführlich.

Abb.: Auch er versucht das Gleichgewicht zu halten

Jugend ohne Namen

Heute ist die Anonymität der Benutzer im Netz weit verbreitet, ja sie wird von vielen als selbstverständlich oder sogar – insbesondere mit Blick auf die Schwächeren der Gesellschaft – als unabdingbar betrachtet. Aber ist sie wirklich in allen Zusammenhängen wünschenswert? Und welche Konsequenzen hat es für Kinder und Jugendliche, im Netz ohne ihren richtigen Namen aufzuwachsen? Auch Minderjährige sollten in bestimmten Online-Umgebungen ihren Namen nennen. Und wenn etwas dagegen spricht, spricht nichts dagegen, dass sie schweigen. Der Beitrag von Oliver Bendel plädiert für eine kritische Sicht auf die Anonymität im Netz und betont die Wichtigkeit der Identität im Rechtsstaat. Bibliografischer Nachweis: Bendel, Oliver. Jugend ohne Namen: Zur Anerziehung der Anonymität im Netz. In: Computer + Unterricht, 2 (2010). S. 54 – 55.

Abb.: Ausschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis