Von Kintarō bis Erica

Der international bekannte Japanologe Prof. Dr. Florian Coulmas hielt am 22. Mai 2019 beim 23. Berliner Kolloquium den ersten Vortrag („Von Kintarō bis Erica“) nach dem Einführungsvortrag von Prof. Dr. Oliver Bendel. Aus dem Ankündigungstext der Broschüre: „Das Wort ‚Roboter‘, mit dem der tschechische Schriftsteller Karel Čapek im Jahr 1920 in seinem Theaterstück R.U.R. (Rossumovi Univerzální Roboti) eine menschenähnliche Kunstfigur benannte und damit wesentlich zu seiner weltweiten Verbreitung beitrug, existiert auch im Japanischen. Bedeutet es dort jedoch dasselbe wie in anderen Sprachen? Diese Frage bietet uns einen Ansatzpunkt, um mögliche kulturelle Unterschiede im Umgang mit Maschinen auszuloten, die insbesondere in den reichsten und höchstentwickelten Ländern in immer mehr Lebensbereiche eindringen bzw. zur Unterstützung menschlicher Tätigkeiten herangezogen werden. Ein Blick in die japanische Technikgeschichte soll zeigen, dass es sich dabei nicht um semantische Spitzfindigkeiten handelt, sondern dass unser Verhältnis zu Dingen und ihrer Bedeutung für die menschliche Existenz kulturhistorische und gesellschaftliche Aspekte birgt. Dieser Vortrag versucht Antworten zu geben, ob sich diese Aspekte auch beim Einsatz mechanischer und elektronischer Hilfsmittel in der Kranken- und Altenpflege bemerkbar machen.“ Mehrere Medien berichteten über das Berliner Kolloquium, beispielsweise Neues Deutschland.

Abb.: Coulmas, Ishiguro und Erica (Foto: Daimler und Benz Stiftung)

Über die Schönheit weiblicher Roboter

Die Hersteller humanoider Roboter ahmen gerne Frauen nach. Es gibt mehrere Gründe dafür, und manche hat auch Hiroshi Ishiguro genannt, der in Wien bei der Konferenz „Robophilosophy“ neben Joanna Bryson und Oliver Bendel eine Keynote gegeben hat. Frauen wirken, so eine Annahme, vertrauenswürdiger und anziehender auf uns als Männer. Gerade Kinder erschrecken nicht vor ihnen, selbst wenn es gar keine Menschen sind. Eine andere Annahme ist, dass Frauen und ihre künstlichen Ebenbilder vieles gemeinsam haben, weil Frauen selbst künstliche Elemente in sich und auf sich tragen. Die meisten Frauen schminken sich, überdecken Unreinheiten und Farbveränderungen, entfernen Haare, manche korrigieren scheinbare Mängel und Fehler mit Hilfe von Einspritzungen und Schönheitsoperationen. Tatsächlich sehen manche Frauen, die viel an sich gemacht haben und haben machen lassen, ein wenig aus wie Roboter, und genau das ist günstig für die Hersteller. Das Resultat sind Maschinen wie Sophia und Erica (die von Ishiguro geschaffen wurde). Sie sind künstliche Geschöpfe, gestaltet nach der künstlichen Schönheit der Frau. Dass es auch anders geht, zeigt ein männlicher humanoider Roboter, der Werbung für „Westworld“ macht. Mit viel Akribie hat man ihm Haare verpasst, auf den Armen, im Gesicht, kleine Warzen und Male. Gerade dadurch sieht er besonders real (und interessant) aus. Es wäre an der Zeit, einen weiblichen Roboter zu schaffen, der sich an der natürlichen Schönheit der Frau orientiert. Nicht, um das eine oder das andere Verhalten zu kritisieren, sondern um Stereotype aufzubrechen. Künstlerisch und technisch möglich ist das allemal. Ishiguros Geminoid ist übrigens ein eigener Fall. Er orientiert sich an der künstlichen Schönheit des Mannes.

Abb.: Roboter können Stereotype festigen und aufbrechen