Fachgruppe Informatik und Gesellschaft

Die Schweizer Informatik Gesellschaft (SI) plant einen Relaunch der Fachgruppe Informatik und Gesellschaft. Im KLEINEN LEXIKON DER INFORMATIONSETHIK steht geschrieben: „Ein Teilgebiet der Informatik nennt sich Informatik und Gesellschaft. Es handelt sich zugleich um einen Fachbereich der Gesellschaft für Informatik (GI). Laut GI analysieren dessen Mitglieder die Voraussetzungen, Wirkungen und Folgen von Informatik, Informationstechnik und Informationsverarbeitung, und zwar in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Bedeutung des Teilgebiets hat allerdings stark abgenommen.“ Vielleicht trifft diese Feststellung bald nicht mehr zu. Die Schweizer Fachgruppe könnte sich sozialen, rechtlichen und moralischen Problemen widmen und die Informationsethik stärken. Diese ist zur Zeit an der HTW Chur und an der Hochschule für Wirtschaft FHNW vertreten. Das erste Treffen findet im Mai 2015 in Bern statt.

Abb.: Eine Gasse in Chur

Im digitalen Chaos

„Was wird aus dem Bildungsideal Selbstständigkeit in einer Welt der digitalen Überwachung? Ein Gespräch mit dem Informationsethiker Rafael Capurro über Erziehung zur Freiheit im Zeitalter der Kontrolle.“ (FAZ, 28. März 2015) So der Teaser zu einem Interview, das unter dem Titel „Schwimmen im digitalen Chaos“ in der FAZ erschienen ist.  Es geht zunächst um E-Learning. Capurro führt aus: „Man müsste die Anbieter von Lernsoftware in den Unterricht holen. Man könnte sie im Gespräch mit der Klasse erklären lassen, was sie tun. Was mit den Daten der Schüler passiert.“ Später fragt der Interviewer: „Wir kennen den Rat, Daten, deren Gebrauch wir nciht [!] einsehen, bewusst falsch anzugeben. Sollte man auch Kindern dazu raten?“ Der Informationsethiker antwortet, es gehe letztlich um die Frage: „Was ist eine Lüge im digitalen Zeitalter?“ Zuletzt fordert Capurro, dass „wir allgemeine Regeln für die Schiffahrt [!] im Internet entwickeln“. „Ohne solche ethischen und rechtlichen Regeln bleiben die digitalen Ozeane ein gefährliches Medium für alle, die sich von der Küste entfernen.“ Ansätze dafür gab es in der Vergangenheit mit der klassischen Netiquette und mit der Netiquette 2.0. Das ganze Interview ist über www.faz.net verfügbar.

Abb.: Kein digitaler, sondern ein realer Ozean

Maschinenstürmer des Informationszeitalters

In seiner wenig bekannten Kurzgeschichte „Sally“ aus dem Jahre 1953 beschreibt der große Science-Fiction-Autor Isaac Asimov in visionärer Weise die Funktionen sowie die Chancen und Risiken selbstständig fahrender Autos. Heute nehmen Fahrerassistenzsysteme dem Lenker immer mehr Aktionen ab und unterstützen ihn in vielfältiger Weise. Das autonome Auto ist schon bald nicht mehr Prototyp, sondern Alltag. Es wird in Situationen geraten, in denen moralische Fähigkeiten von Vorteil sind. Die einen plädieren für komplexe Fähigkeiten, die anderen für einfache. In der Theorie ist alles denkbar. Für die Praxis spricht sich Oliver Bendel in seinem Artikel „Die Maschinenstürmer des Informationszeitalters“ für einfache moralische Maschinen in wenig komplexen Kontexten aus. Für PKW, die beschränkt sind und werden in ihren Möglichkeiten. Es wird nicht nur die Perspektive der Maschinenethik, sondern auch der Informationsethik eingenommen. Der Beitrag ist am 5. März 2015 in der Zeitschrift ICTkommunikation erschienen und kann über ictk.ch aufgerufen werden.

Abb.: Ein Cabrio wie Sally

Positionspapier zur Privatsphäre

Das Institut für Digitale Ethik (IDE) an der Hochschule der Medien in Stuttgart hat ein Positionspapier zu Privatsphäre und Informations- und Medienkompetenz – konkreter Privatheitskompetenz genannt – veröffentlicht. Der Titel lautet „Privatsphäre darf kein Luxusgut sein“. Privatheit sei „die Möglichkeit, alleine und ungestört zu sein; ebenso umfasst sie die Freiheit zu verbergen oder zu offenbaren, wer und wie man ist“ (Positionspapier IDE). Privatheitskompetenz erscheine „in der mediatisierten Gesellschaft gering ausgeprägt“: „Viele Menschen teilen ihr Innerstes und Intimstes freigiebig in der Netzöffentlichkeit mit, ohne Konsequenzen solchen Tuns abzuwägen.“ (Positionspapier IDE) Im Positionspapier wird auf Überwachung ebenso eingegangen wie auf die „Datensammlungen samt der dazugehörigen Geschäftsmodelle privater Anbieter“ (Positionspapier IDE). Privatheitskompetenz umfasse u.a. „das Wissen, wer private Daten zu welchem Zweck erhebt, verarbeitet und weitergibt“. Am Ende werden gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Maßnahmen gefordert: „Eine so verstandene Privatheitskompetenz ist in den gesellschaftlichen Funktionssystemen Bildung (Curricula an Schulen und Hochschulen), Wirtschaft (Implementierung von Selbst‐/Verpflichtungen) und Politik (Steuerungsrahmen) zu verankern.“ (Positionspapier IDE) Das Positionspapier kann über die Website des Instituts heruntergeladen werden.

Abb.: Jeder braucht seine Privatsphäre

Bettina Wulff und Self-Driving Cars

„Ein Gespräch über Bettina Wulff, Self-Driving Cars und mitfühlende Staubsauger.“ So heißt es im Teaser zu einem Interview, das Watson mit Oliver Bendel geführt hat. Der Informations- und Maschinenethiker äußert seine Skepsis gegenüber der Autocomplete-Funktion von Google. Zunächst gab es um Bettina Wulff nur gewisse Gerüchte. Diese brachten viele Menschen dazu, nach ihr zu googeln, zur Vergangenheit dieser Frau. Sie benutzten bestimmte Begriffe, von denen sie gehört hatten. Aufgrund des massenhaften Verhaltens hat die Autocomplete-Funktion dann „Bettina Wulff“ und diese Begriffe angezeigt. Aber welche Wirklichkeit wird damit abgebildet? Nur die Wirklichkeit, welche die Benutzer im Kopf haben. Und die Wirklichkeit eines virtuellen Phänomens. Oliver Bendel fordert, dass die Betreiber eingreifen, dabei aber offenlegen, was sie warum gemacht haben. Er plädiert zudem für einfache moralische Maschinen, etwa für bestimmte Fahrerassistenzsysteme und Funktionen von autonomen Autos, und für LADYBIRD, einen tierfreundlichen Saugroboter. Das Interview ist am 9. Februar 2015 erschienen und über www.watson.ch aufrufbar.

Abb.: Die Autocomplete-Funktion von Google kann problematisch sein

Kultur und Informatik

Die 13. Veranstaltung der Reihe „Kultur und Informatik“ am 28. und 29. Mai 2015 im Bode-Museum zu Berlin stellt nach Angaben der Veranstalter (Forschungsgruppe INKA an der HTW Berlin und andere) die Heraus­forderungen und Entwicklungstendenzen im Bereich der Cross Media in den Mittel­punkt. „Die Konferenz richtet sich einerseits an Kultur­politiker, Mitarbeiter der Kultur- und Kreativ­wirtschaft, an Kommuni­kations­wissen­schaft­ler, Kultur- und Kunst­akteure sowie andererseits an Informatiker und Techniker, die zu kulturellen Themen forschen und entwickeln.“ (Website INKA-HTW) Themen sind Cross-Media-Technologien, die Verflechtung und gegenseitige Beeinflussung von Kultur und Informatik, der Einfluss von Kunst und Kultur auf die Gestaltung der Zukunft, die intuitive Benutzung von Mediensystemen sowie Ethik in Kultur und Informatik. Themenvorschläge für Vorträge, Kurzvorträge, Plakate oder Demonstrationen müssen bis 10. Januar 2015 in englischer Sprache eingereicht werden. Weitere Informationen über inka.htw-berlin.de/kui/15/.

Abb.: Das Alte Museum in der Nähe des Bode-Museums

CEPE-IACAP 2015

Die CEPE-IACAP 2015 Joint Conference findet vom 22. bis 25. Juni 2015 an der University of Delaware statt. Der Call for Abstracts bezieht sich auf „ethical and philosophical problems relate to information technologies and computing“ (Website IACAP). Zum Fokus heißt es genauer: „Philosophical and ethical enquiries about information technologies, computing, and artificial intelligence have acquired a focal place in the academic and societal debate on the design, development and deployment of technological artefacts. As the issues to be addressed are increasingly complex and interwoven, the need to consider different stakeholders and to endorse both multi- and inter-disciplinary approaches in addressing such problems become more pressing.“ (Website IACAP) Die Abstracts müssen bis 2. Februar 2015 eingereicht werden. Weitere Informationen über www.iacap.org.

Abb.: In Delaware

Waffenfeindliche 3D-Drucker

“Das Zähmen der Maschinen” ist der Titel eines Artikels von Danja Nüesch für SRF, Schweizer Radio und Fernsehen. Behandelt werden die Themen der Maschinenethik, auf der Grundlage eines Interviews mit Oliver Bendel. Der Professor für Wirtschaftsinformatik und Informationsethik an der Hochschule für Wirtschaft FHNW treibt auch Maschinenethik. Er spricht sich für einfache moralische Maschinen aus. Seine Paradebeispiele sind der GOODBOT, ein verbesserter Chatbot, und Ladybird, ein tierfreundlicher Saugroboter. Auch tierfreundliche Windkraftanlagen und waffenfeindliche 3D-Drucker werden angeführt. Von komplexen moralischen Maschinen rät Oliver Bendel eher ab. Die militärische Drohne sollte ebenso wie das selbstständig fahrende Auto bestimmte Entscheidungen den Menschen überlassen. Diese müssen also, als Soldaten, Insassen etc., intervenieren können. Nichts spricht dagegen, dass sich Roboterautos oder Fahrerassistenzsysteme in klar abgrenzbaren Situationen mit nur wenigen Optionen moralisch verhalten. Zum Beispiel kann – wie der Experte verschiedenenorts argumentiert – automatisch für ein Tier gebremst werden, wenn kein Hintermann zu sehen ist. Der Beitrag kann über www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/das-zaehmen-der-maschinen aufgerufen werden.

Abb.: Werk eines schuhfreundlichen 3D-Druckers (Quelle: commons.wikimedia.org, Autor: Strvct)

Digital Kids

Das aprentas-Forum 2014 am 27. November trägt den Titel „Digital Kids in a Digital World“. Thema ist laut Website die „Entwicklung der Kommunikationsmittel und ihr Einfluss auf Bildung und Gesellschaft“. Nach der Begrüßung durch Dr. Jürgen Brokatzky-Geiger referiert Prof. Dr. Oliver Bendel (Hochschule für Wirtschaft FHNW) zur Informationsethik. Insbesondere die Datenbrille und die Privatdrohne hat er im Blick. Danach widmet sich Prof. Dr. Christa Dürscheid (Universität Zürich) Diensten und Plattformen wie „SMS, WhatsApp und Facebook“ und stellt die Frage: „Wohin soll das führen?“ Auf jeden Fall zur Pause und zum Networking. Danach machen Lernende der aprentas-Mitgliedfirmen einen „Selbstversuch“ zum Thema „Mein Handy und ich“. Zwei weitere Vorträge und ein Schlusswort von Dr. Rolf Knechtli runden den Nachmittag im Hilton in Basel ab. Weitere Informationen und Anmeldung über www.aprentas.com/forum.cfm.

Abb.: Augmented Reality und Virtual Reality gewinnen an Bedeutung

Neues Papier des GDI

Am 27. Oktober 2014 ist ein neues Diskussionspapier des Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) herausgekommen. Entwickelt werden darin „Szenarien zur digitalen Vernetzung“, bezogen auf das Jahr 2030 (Website www.gdi.ch). „Die Vernetzung hat unser Leben verändert. Doch das ist erst der Anfang. Die Digitalisierung erfasst bald die ganze Wirtschaft und Gesellschaft. Menschen und Maschinen verschmelzen zur Digisphäre.“ (ebd.). Karin Frick und Bettina Höchli beantworten laut Website Fragen wie „Wie schützen wir uns vor Cyberwar und -crime“, „Wie stellen wir schnelle und flächendeckende Netze sicher?“, „Wie gewährleisten wir Privatsphäre und Datenschutz?“ und „Wie weit sollen Maschinen für uns entscheiden?“. Auf Seite 18 der Studie heißt es: „Die Felder werden von selbststeuernden Maschinen bewirtschaftet, die Ernte von Robotern verarbeitet. Am Ende dieser Entwicklung steht die vollautomatisierte Lebensmittelproduktion.“ Die Autorinnen gehen nicht auf die Maschinenethik oder auf Informationsethik bzw. Technikethik ein. Sie sprechen aber zahlreiche Themen dieser Disziplinen an. Das Papier steht seit 31. Oktober 2014 in einer aktualisierten und ergänzten Version zur Verfügung. Gegen die Abgabe persönlicher Daten kann es kostenlos heruntergeladen werden.

Abb.: Vom Institut aus blickt man auf den Zürisee

Konferenz in Berlin zu Cyber Resilience

Das nächste FAZ-Forum trägt den Titel „Cyber Resilience – Warum Cyber Security nicht mehr ausreicht“. Die Beschreibung hebt an mit folgenden Worten: „Durch die global vernetzten Informationsstrukturen unserer Wirtschaft und Gesellschaft entsteht ein extrem komplexes Geflecht, welches fortwährende Absicherung gegen interne und externe Bedrohungen erfordert. Die Gewährleistung von Cyber-Sicherheit wird zu einer zentralen Herausforderung für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft auf nationaler und insbesondere auf globaler Ebene. Einzelne Cyber-Security-Maßnahmen werden in Zukunft nicht mehr ausreichen, diesen Schutz zu gewährleisten. Vielmehr ist der Aufbau einer Cyber Resilience – eines widerstandsfähigen Gesamtsystems, welches Störungen und Angriffe unbeschadet absorbieren kann – unabdingbar.“ (Website) Referenten sind u.a. Peter Andres (Leiter Konzernsicherheit, Deutsche Lufthansa AG), Norbert Riedel (Botschafter, Sonderbeauftragter für Cyber-Außenpolitik, Auswärtiges Amt), Christoph Unger (Präsident, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) und Oliver Bendel (Professor, Hochschule für Wirtschaft FHNW). Angefragt ist Peter Altmaier (MdB, Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben). Im Vortrag von Oliver Bendel geht es u.a. um Informationsethik und Maschinenethik. Letztere kann seiner Meinung nach dazu beitragen, die Maschinen sicherer und besser zu machen. Weitere Informationen über www.faz-forum.com/cyber-resilience/index.php.

Abb.: Snapshot von der Website des FAZ-Forums

Bereichsethiken im Zusammenhang

Matthias Maring ist der Herausgeber des Buchs „Bereichsethiken im interdisziplinären Dialog“, das 2014 in der Schriftenreihe des Zentrums für Technik- und Wirtschaftsethik am Karlsruher Institut für Technologie herausgekommen ist. Laut Abstract werden „u.a. folgende Bereichsethiken bzw. bereichsübergreifende Ethiken behandelt: Technikethik, politische Ethik, Wissenschaftsethik, Nano-Ethik, Wirtschaftsethik, Sicherheitsethik, Ordnungsethik, evolutionäre und experimentelle Ethik, Bioethik, Umweltethik, Tierethik, Sportethik, pädagogische Ethik, Ethik des Neuroenhancement, Medizinethik, Medienethik und Informationsethik“. Von Jakob Meier stammt der Beitrag „Verantwortung und die Legitimität bereichsethischer Kodizes – zu einem zentralen Aspekt der Technik- und Informationsethik“. Wer sich näher für den  Zusammenhang zwischen der Informationsethik und den anderen Bereichsethiken interessiert, sei auf die Artikel von Oliver Bendel aus dem Jahre 2012 verwiesen, und zwar „Die Medizin in der Moral der Informationsgesellschaft“ (IT for Health, auch als PDF erhältlich) und „Die Medizinethik in der Informationsgesellschaft“ (Informatik-Spektrum). Der letztere Artikel enthält das Ethik-Ei, das Beispiele in den Schnittbereichen der Bereichsethiken versammelt. Den genannten Band gibt es als kostenlosen Download.

Abb.: Das Cover des Buchs

Informationsethik für Betriebsökonomen

Informationsethik wird an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW schon seit Jahren gelehrt. Bisher profitierten nur die Wirtschaftsinformatikerinnen und -informatiker in Olten von dem Angebot. Neu finden zweitägige Blockseminare zur „digitalen Ethik“, wie sie umgangssprachlich auch genannt wird, im Studiengang Betriebsökonomie in Brugg statt. Prof. Dr. Oliver Bendel wird ab Februar 2014 in die Informationsethik einführen, Bezüge zu den anderen Bereichsethiken und zur Maschinenethik herstellen – und mit den Studierenden ausgewählte Problemfelder bearbeiten. Zugegriffen wird dabei auf Definitionen und Materialien auf informationsethik.info. Es geht aber nicht nur um Problemidentifizierung und -lösung, es geht auch um Cyberhedonismus, ein gutes, glückliches, vielleicht sogar lustvolles Leben in der Informationsgesellschaft. Der Andrang ist so groß, dass eine zusätzliche Durchführung beschlossen wurde. Damit gibt es bis zum Sommer drei Seminare – und insgesamt fünf Angebote zur Informationsethik an der Hochschule im Jahr, neben mehreren Kursen zur Wirtschaftsethik in Basel, Brugg und Olten.

Abb.: Der Campus Olten (Foto: WEISSWERT C. Morin & M. Indermaur)

Diskussionsteilnehmer für EU-Projekt gesucht

TA-SWISS hat sich an informationsethik.net gewandt mit der Bitte, auf ein EU-finanziertes Forschungsprojekt (SurPRISE: Surveillance, Privacy and Security) hinzuweisen. 300 Personen in der Schweiz haben die Möglichkeit, an einem sogenannten Diskussionsforum zum Thema „Sicherheitstechnologien, Überwachung und Privatsphäre“ teilzunehmen. „Im Zentrum des Interesses steht, wie die Bürgerinnen und Bürger in neun Ländern Europas auf Überwachungstechnologien reagieren. Sind sie, wie in politischen Debatten gerne unterstellt wird, tatsächlich bereit, für ein Mehr an Sicherheit ein Weniger an Privatsphäre in Kauf zu nehmen? Welche Sicherheitsmassnahmen erachten sie als akzeptabel in einem demokratischen Staat und welche nicht?“ (Zitat aus der Mitteilung) Geplant seien je eine ganztägige Gesprächsrunde (10 – 16 Uhr) in der Deutschschweiz (Zürich, 8. März 2014), in der Romandie (Grandson, 22. März 2014) und im Tessin (29. März 2014). Die Reisespesen werden übernommen, für Verpflegung ist gesorgt, und alle Teilnehmenden erhalten eine kleine Entschädigung. Weitere Informationen und Anmeldung: www.ta-swiss.ch. Anmeldefrist: 31. Januar 2014.

Abb.: Überwachung in London

Informationsethiker protestieren gegen Massenüberwachung

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Australien, Deutschland, Holland, Kanada, Japan, der Schweiz und vielen anderen Ländern protestieren mit einem Aufruf, der von Nico van Eijk, Beate Roessler, Frederik Zuiderveen Borgesius und Manon Oostveen (University of Amsterdam) initiiert wurde, gegen die Massenüberwachung durch die Geheimdienste. Auf der Website www.academicsagainstsurveillance.net heißt es: „The right to privacy is a fundamental right.“ Und weiter: „Without privacy people cannot freely express their opinions or seek and receive information. Moreover, mass surveillance turns the presumption of innocence into a presumption of guilt.“ Die Unterzeichner des Aufrufs – unter ihnen sind auch Informations-, Technik- und Maschinenethiker wie Andrew Adams, Oliver Bendel, Kai Kimppa und Matthijs Pontier – fordern die Regierungen zum Handeln auf, wobei klare Forderungen gestellt werden.

Abb.: Überwachung im öffentlichen Raum

Ist unsere Privatsphäre in Gefahr?

Die TA-SWISS weist in ihren E-News vom 10. Dezember 2013 auf eine Veranstaltung hin. Am Montag, 16. Dezember 2013 um 18.30 Uhr diskutieren Jean-Marie Chenou (Politikwissenschaftler Universität Lausanne), Sami Coll (Soziologe Universität Genf), Stéphane Koch (Spezialist für Informationssicherheit) und Jean-Henry Morin (Assoz. Professor für Informationssysteme, Universität Genf) zu Datengenerierung, -erhebung und -missbrauch und Fragen wie „Wozu dienen all diese Daten?“ und „Ist unsere Privatsphäre in Gefahr oder ist Überwachung ein notwendiges Übel?“ … Ein Informationsethiker wurde offenbar nicht eingeladen. In den E-News vom 10. Dezember 2013 heißt es: „Ob zu Hause am Bildschirm, unterwegs in der Stadt oder auf Reisen: wo immer wir uns befinden, hinterlassen wir Datenspuren, die registriert und gespeichert werden. Unser Handy gibt Auskunft darüber, wo wir uns aufhalten. Die Kredit- und Treuekarten, die wir verwenden, geben Hinweise auf unser Kaufverhalten. Was immer wir tun oder lassen: Tausende von Sicherheitskameras im öffentlichen Raum und in Privatgebäuden zeichnen es getreulich auf. Und auch wenn wir im Internet surfen, füttern wir mit jedem Mausklick gigantische Datenbanken.“ Die Leitung des sogenannten Wissenschaftscafés obliegt Danielle Bütschi von der TA-SWISS. Ort der Veranstaltung ist das Musée d’histoire des sciences in Genf.

Abb.: Die 2012 eröffnete Rolex-Brücke in Genf

„Information ethics can give a new impetus“

In den VμE-Nachrichten, herausgegeben vom Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik, erschien im Sommer 2013 ein Interview zu Informations- und Maschinenethik. Oliver Bendel erklärte, was man sich unter diesen Disziplinen vorstellen kann, ging auf die Einflussmöglichkeiten von Forschern ein und wünschte sich die Stärkung der philosophischen Ethik gegenüber der theologischen bzw. theonomen. Inzwischen ist die englische Version der Zeitschrift erschienen, mitsamt dem Interview auf den Seiten 8 und 9. Es wird mit folgenden Worten eingeleitet: „Technological progress opens up new opportunities for action that make our lives safer and more comfortable – as long as we take advantage of it responsibly. VμE spoke to the commercial computer scientist and author Prof. Oliver Bendel about the ethical dimension of research, and current issues.“ Die englischsprachige Zeitschrift ist als PDF verfügbar.

Abb.: Oliver Bendel im Sommer 2012, ein Jahr vor dem Interview

Informationsethik beim 8. Aargauer Wirtschaftssymposium

Das 8. Aargauer Wirtschaftssymposium vom 16. Januar 2013 war in zwei Teile gegliedert. Die eloquente und sympathische TV-Frau Christine Maier fungierte zuerst als Ansagerin, dann als Interviewerin. Im ersten Teil referierten der Direktionspräsident der Fachhochschule Nordwestschweiz, Prof. Dr. Crispino Bergamaschi, der Hamburger Trendforscher Prof. Dr. Peter Wippermann und die Unternehmerin Carolina Müller-Möhl. Im zweiten Teil standen Prof. Dr. Oliver Bendel, Monika Walser und Dr. Toni Brühlmann Rede und Antwort. Den Rahmen bildeten eine musikalische Darbietung von Bruno Bieri, der sein ufohaftes Hang und seine stimmlichen Fähigkeiten mitgebracht hatte, und eine unterhaltsame Motivationsstunde von Dr. Marco Freiherr von Münchhausen.

Abb.: Der Hallerbau als Teil des FHNW-Campus Brugg-Windisch

Ethik als Pflichtfach für Informatiker

GI-Präsident Oliver Günther will, „dass Ethik für Informatiker verpflichtend zur Ausbildung gehört“ (golem.de vom 14. Januar 2013). Eine ähnliche Forderung hat Oliver Bendel in seinem Buch „Die Rache der Nerds“ (2012) im Kapitel „Die Mängel der Ausbildung“ aufgestellt. In seinem Beitrag „Die Moral der Informationsgesellschaft: Für eine Renaissance der Informationsethik und eine Stärkung der Technologiefolgenabschätzung“, der im Frühjahr 2013 im Tagungsband „Vordenken – mitdenken – nachdenken: Technologiefolgenabschätzung im Dienst einer pluralistischen Politik“ erscheint, plädiert er dafür, innerhalb von Informatik und Wirtschaftsinformatik verstärkt Informationsethik zu betreiben. Günther, der auch Präsident der Universität Potsdam ist, betont: „Informatikfachleute dürfen sich nicht allein auf die technischen und ökonomischen Fragen ihrer Disziplin beschränken.“ (golem.de vom 14. Januar 2013) In dem Artikel werden seine Ausführungen mit folgenden Worten zusammengefasst: „Informatiker müssten sich der ethischen, gesellschaftlichen, juristischen und politischen Konsequenzen ihrer Entwicklungen stets bewusst sein. Darüber hinaus liege es in ihrer Verantwortung, die Nutzer beim sicheren und verantwortungsvollen Einsatz von Informatik zu begleiten und zu beraten.“ (golem.de vom 14. Januar 2013) Allerdings gibt es derzeit kaum Wissenschaftler, die die Informationsethik in Forschung und Lehre vertreten können. Günther betont in diesem Zusammenhang, dass die „hier benötigten kompetenten Fachleute … in erster Linie an den Hochschulen entsprechend ausgebildet werden“ (golem.de vom 14. Januar 2013) müssen.

Abb.: Eine Programmiererin bei der Arbeit

Herausgeberband zur Informationsgerechtigkeit

Ein lesenswertes Buch haben André Schüller-Zwierlein und Nicole Zillien herausgegeben. Unter dem Titel „Informationsgerechtigkeit“ versammeln sie Beiträge zur „Theorie und Praxis der gesellschaftlichen Informationsversorgung“ (Untertitel). An mehreren Stellen wird auch im Rahmen der Informationsethik diskutiert, wobei diese weniger als Ethik der Bereitstellung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien, sondern mehr als Ethik der Verfügbarkeit und Kontrollierbarkeit von Information aufgefasst wird. Entsprechend sind Themen wie Information als Gemeingut oder informationelle Autonomie vorherrschend. Schüller-Zwierlein arbeitet in der Universitätsbibliothek München (LMU), Zillien vertritt die Professur für Soziologie an der Universität Trier. Der Herausgeberband ist Anfang 2013 bei Walter de Gruyter in der neuen Reihe „Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft“ erschienen.

Abb.: Eine Bibliothek in München

Stellungnahme des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.

Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF) hat am 28. Dezember 2012 eine Stellungnahme zur Besetzung des Lehrstuhls „Informatik und Gesellschaft und Didaktik der Informatik“ an der Humboldt-Universität veröffentlicht. Es habe Hinweise erhalten, dass die durch das Ausscheiden von Wolfgang Coy freigewordene Professur für Informatik und Gesellschaft fachfremd bzw. nur mit marginalem Fachbezug wiederbesetzt werden soll. „Sollten diese Hinweise den Tatsachen entsprechen, so ist das FIfF über die drohende Fehlbesetzung besorgt und möchte … vor dem damit verbundenen weiteren Abbau des Faches Informatik und Gesellschaft warnen – besonders in einer Zeit, in der die Informatik unsere Gesellschaft immer stärker durchdringt.“ (Website FIfF) Das Forum kommt zu der Einschätzung: „Paradoxerweise erlebt das Fachgebiet Informatik und Gesellschaft in den letzten Jahren einen Rückschlag nach dem anderen, obwohl ihre Fragestellungen nun endgültig von der Politik und der Gesellschaft, z.B. in der Netzpolitik, aufgegriffen worden sind. Ihre Lehrstühle werden von den Universitäten umgewidmet, fallengelassen oder sinnentleert.“ (Website FIfF) Oliver Bendel hat die Situation in seinem Buch „Die Rache der Nerds“ so beschrieben: „Seit geraumer Zeit gibt es einen Teilbereich der Informatik namens Informatik und Gesellschaft (IuG). Man könnte meinen, dass seine Bedeutung proportional zur Bedeutung der ganzen Wissenschaft und zur Zunahme moralischer und sozialer Umbrüche durch Informations- und Kommunikationstechnologien und digitale Medien gewachsen wäre. Dass seine Bedeutung geradezu explodiert wäre durch die Sprengkraft von Internet und Web, insbesondere Web 2.0. Aber das Gegenteil ist der Fall.“ Die Stellungnahme des FIfF ist über fiff.de abrufbar (Link nicht mehr gültig).

Abb.: Die Humboldt-Universität

Die Medizinethik in der Informationsgesellschaft

Die Medizinethik hat die Moral in der Medizin zum Gegenstand, die Informationsethik die Moral (in) der Informationsgesellschaft. Der Artikel „Die Medizinethik in der Informationsgesellschaft“, der in der Zeitschrift Informatik-Spektrum erschienen ist, untersucht das Verhältnis zwischen der Informationsethik und den anderen Bereichsethiken am Beispiel der Medizinethik. Zentral ist die Abbildung mit dem „Ethik-Ei“, das aus dem „Ethik-Dekagon“ hervorgegangen ist. Darin wird die Informationsethik mit zehn weiteren Bereichsethiken in Beziehung gesetzt, und es werden Beispiele für Anwendungen in den Schnittbereichen genannt. Für Medizinethik und Informationsethik ist die Kontrolle und Überwachung von Patienten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien ein wichtiges Thema. Der Artikel von Oliver Bendel ist seit dem 17. November 2012 als „Online-First“-Artikel auf SpringerLink verfügbar. Er erscheint zudem in einer der nächsten Print-Ausgaben.

Abb.: Eine Operation